Illustration: Wilgengebroed
Eine Gesellschaft, die sich in allem auf die Digitalisierung verlässt, setzt sich neuen Gefahren aus. Allein im ersten Halbjahr 2019 erfolgten zahllose Angriffe auf die digitalen Infrastrukturen von Großstädten in den USA oder auf globale Unternehmen wie WalMart und Toyota. Die Delikte reichen von Daten- und Gelddiebstahl über Erpressung bis hin zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten, etwa durch propagandistische Angriffe auf die Köpfe von Bürgern. Eine Auswahl aus den Milliarden Angriffen der jüngeren Vergangenheit:
Wer die Angreifer sind. Mit jeder Erweiterung wird das Internet of Everything wertvoller. Kriminelle Angreifer sehen es auf wirtschaftliche Vorteile ab. Erpressungsversuche haben zugenommen und betreffen immer mehr Privatleute. Das weist darauf hin, dass Daten nicht nur gestohlen und weiterverkauft, sondern inhaltlich besser ausgebeutet werden. Der inzwischen sehr vereinfachte Zugriff auf Künstliche Intelligenz im Sinne von: Künstliche Intelligenz überall und für jedermann, erleichtert die „Ernte“ relevanter Information aus Rohdaten.
Doch mehrt sich auch die Ausbeutung des Internet of Everything durch Staaten und ihre Regierungen.
Die Schwachen werden stärker. Die Digitalisierung erlaubt konventionell wenig hoch gerüsteten Staaten, selbst Technologieführer wie die USA oder auch Europa anzugreifen. Neben den Großmächten USA, Russland und China sowie den Brennpunktstaaten Iran und Nordkorea treten als Angreifer vermehrt Akteure in Erscheinung, die bisher nicht aufgefallen sind, etwa Mexiko oder Vietnam. Der Anreiz, Russland nachzuahmen und sich etwa in die amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2020 einzumischen, um politische Macht und mehr globalen Einfluss zu erringen, "ist so viel größer als noch vor vier Jahren und vielleicht größer als jemals zuvor in der Vergangenheit", sagt Ben Freeman, Direktor der Foreign Influence Transparency Initiative beim Center for International Policy. "Die Barrieren sind gefallen."
Die Beauftragung privater „Cyber“-Söldner erschwert die Zuordnung von Angriffen zu Regierungsstellen und die Verteidigung gegen digitale Störmaßnahmen anderer Länder. Wer einen Angreifer nicht genau identifizieren kann und wessen Gegenmaßnahmen einen unbeteiligten Drittstaat treffen, kann sich eines Verstoßes gegen das Völkerrecht schuldig machen.
Unter dem Strich. Die zunehmende Vernetzung verschlechtert die Sicherheitslage. Immer mehr Staaten greifen auf digitalem Wege an.
Das Risiko internationaler Konflikte steigt. Defensives Verhalten tritt in den Hintergrund, kleinere Staaten werden durch die Digitalisierung mächtiger und gehen offensiv vor. Das verschiebt die
Machtverhältnisse in der Weltpolitik. Internationale Sicherheit sieht anders aus.
Mehr lesen: Yvonne Hofstetter. 2019. Der unsichtbare Krieg. München: Droemer Knaur.